Freitag, 27. September 2013

Nonstop einkaufen in Innsbruck

Nonstop, Geschäft, Innsbruck - ein Wiederspruch?

 

Tirol, bzw. Österreich, ist ein Land in dem Geschäfte zumachen, wenn jeder Zeit hätte, hineinzugehen. Ungarn ist ein Land in dem jedes Dorf ein "Nonstop" hat, in denen von kleinen Pálinkaflaschen bis frisch gebackenem Brot und Tampons alles zu kriegen ist

Und wenn man aus so einem Land kommt, in dem man sich als Konsument ganz selbstverständlich von unglaublichen Öffnungszeiten verwöhnen lässt, kommt es anfangs schon mal vor, dass man in Innsbruck mit knurrendem Magen zu Bett geht. Aber gewöhnen kann man sich an alles und was zum Beginn als unmenschlich galt, ist mittlerweile gewohnter Alltag.

Auch, denkt man mittlerweile anders. Bisschen empatischer. Dass doch die armen Männer und Frauen nicht so lange hinter einem Pult stehen sollten, mit schwellenden Fußgelenken, und das es jedem vergönnt ist einen Feierabend zu haben, auch wenn man die Kokosmilch vergessen hat. Und jetzt ehrlich, wer braucht Kokosmilch, wenn es doch einen Milkomat gibt?

Der Milkomat

 


 Milkomat. Ein Unfug an Wort. Ich schmatze liebensgerne darauf herum und knüpfe es, so oft es mir gelingt, in meine Alltagsgespräche um Schwung hineinzubringen. Ich denke an Superman, an Milkomat, das die zwei irgendwie zusammengehören. Tamtatatam, fliegende Sternchen und boom das Bild, Musik, Chor: Milkooomaaat. Tolle Idee. Ich zeige den Milkomat jedem Besucher, der aus Ungarn kommt als Beweis, dass es sich im Westen tatsächlich gut leben lässt. Milkomat und Papa, Milkomat und Bruder, Milkomat und beste Freundin - das Fotoalbum ist reich an Bildern mit Milkomat.

Der Milkomat ist wirklich toll. Nicht nur so ein bisschen toll. Man geht hin, schmeißt ein Euro rein, stellt die Milchkanne darunter und bekommt einen Liter Milch, wie es die Kuh von sich gegeben hat, nachdem man sie mit schwarzen Plastikschläuchen  angezapft hat. Trotzdem, noch immer toll.
 
Einige Milkomate - z.Bsp. der in Amras in der Philippine-Welser-Straße - verkaufen sogar Eier und Joghurt, andere sogar auch Käse (das habe ich in Pinzgau, in Salzburg gesehen). Bin total von den Socken von so einer Sache. Und man kann in der dunkelsten Nacht hingehen und sich bedienen. Um drei Uhr in der früh, um zwei am Nachmittag, wann immer auch die Lust kommt sich mit Milch einen weißen Schnurrbart zu malen.
Als Studentin und Kellnerin hat man auch immer das nötige Kleingeld für die Sache. Übrigens koche ich die Milch nie auf und lass mich überraschen: Was kommt, das kommt.

Und so viel kann man aus roher Milch machen! Vor einer Woche zum Beispiel, habe ich experimentiert. Was mir mein Onkel schon hundertmal in Ungarn erklärt hat und ich es auch noch über Skype erklärt bekommen habe, musste ich letzendlich noch einmal im Web suchen. Aludttej, die "eingeschlafene Milch".
Einfacheres gibt es eigentlich nicht - verstehe im nachhinein gar nicht, wieso ich das so oft erklärt gebraucht habe.

Die rohe Milch in eine Tasse, mit Küchenpapier abdecken und auf einen warmen Platz (in der Nähe eines Heizkörpers z.Bsp.) für 1,5 Tage stellen. Danach bildet sich auf der Oberfläche Sauerraum. Das nimmt man mit einem Löffel ab und darunter ist die flüßigere, säuerliche "eingeschlafene Milch" - ich glaub, deutsch nennt man das Buttermilch, schmeckt herrlich.

Ich bin wahrhaftig besessen von meinen neuen Entdeckungen. Wie billig das Leben sein kann, ich brauche keinen Supermarkt, keine Öffnungszeiten, leckt mich doch alle, ich habe einen Milkomaten, ein Euro und ich habe Milch zum Schwarztee in der Früh, Sauerrahm für meine Suppen und Buttermilch zum Frühstück oder Abendessen. Aber auch Kefir und Joghurt kann man daraus machen und sogar Käse und Butter. Habe alles im Internet gefunden und ausser Butter - das ist für mich ein zu großer Aufwand und ich esse auch gar keine - kann ich alles machen, Es ist möglich dies in der winzigsten Wohnung und im winzigsten Zimmer zu machen, vorausgesetzt mas scheut sich nicht den Raum mit garrender Milch zu teilen.

Kleiner Hinweis für Milkomaten in Innsbruck:

- Karl Innerebner Str. 68 - Allerheiligen (der O-Bus fährt die Richtung, wer sich nicht auf das Rad setzen will)

- Philippine Welser Str. - Amras (Hausnummer weiß ich nicht, aber es gibt einen schönen Trinkbrunnen und das Gasthof Kapeller gegenüber; T-Bus fährt die Richtung)

- in Hötting soll es auch noch einen geben (kenne ich leider nicht)

  Kürbisstand


Und dann gibt es im Herbst noch die Kurbisstände. Wo am Straßenrand Hunderte Kürbise, Tag und Nacht, auf ihre neuen Besitzer warten. Man geht hin, wählt aus, zirka sechs verschiedene Sorten - ich kann nur den Hokkaido benennen, der sich, wie ein japanischer Kampfruf anhört - und dann schmeißt man das Geld in die länglichen Büchsen, die einen irgendwie an die Ritterausrüstungen des Mittelalters mit ihren dünnen Schlitzen und der komischen Überdachung, erinnert. Danach kann man zuhause eine Kürbissuppe machen. Ich kenne ein tolles Rezept, man braucht nur:

- 500 g Kürbis (in Würfel schneiden und nicht schälen),
- eine Zwiebel,
 - einen Liter Gemüsebrühe --> kocht es zusammen, püriert es und gibt
- 1/8 L Kokosmilch dazu und kocht es kurz auf

Scharf oder mit Muskatnuss, mit oder ohne Sauerrahm. An einem kalten, grauen Herbsttag gibt es kaum etwas besseres und aufmunterndes, wie diese unwahrscheinlich orange-leuchtende Creme-Suppe.

Tankstellen 

 

Tankstellen kommen eigentlich dann in Frage, wenn Bier, Tabak oder Papier zum Drehen fehlt. Die Begegnungen mit Tankwärten sind dann schon weniger romantisch. Von der dunklen Straße in das Neonlicht der Colas und kleinen Schokoladen, den vorverpackten, dreieckigen Brötchen und dem Personal in einer der ungünstigen Dienstanzüge, immer mit Schatten unter den Augen und einer Baseballkappe am Kopf. Hier kann man die skurrilesten Begegnungen machen und die unerwartesten Kommentare hören. Und Bier kaufen, kaltes, zu einem Preis, das zwischen Supermarkt und Gasthaus ist und zur dieser Zeit in Günstigkeit und Erreichbarkeit unübertreffbar.
Danke Tankstelle, dass du die Großwelt um zwei Uhr in der früh in Innsbruck vertrittst!

Donnerstag, 23. Mai 2013

Die Sehnsucht ist ein Muttermal

Also ich begegnete den Bergen zum erstenmal in 2009. Sie sahen grandios aus. Wie die Postkarten von meiner Urgroßmutter aus Kanada. Nur nicht in schwarz-weiß. Berge und ihre Gipfel. Themen für Postkarten oder kitschige Naturmalerei, rote Wolken und grüne Bäume. Nur ihre Gefahren, das kennt man halt als Flachländerin nicht. Auf Postkarten gibt es keine Lawinenabgänge, in einem Gemälde erfriert man nicht im Schneesturm und auf Fotos über roten Wolken fühlt man nicht den eisigen Wind von dem die Knochen erstarren.

Kiss Péter, Erőss Zsolt, Kollár Lajos és Jaroslav Dutka. Bild:www.himalajaexpedicio.hu

Zsolt Erőss und Péter Kiss sind (waren?) einer der wenigen Ungarn, die sich in das Bergsteigen verliebt haben. Die fähig dazu waren Gipfel zu lieben, ihre eigenen Körper bis zu den Grenzen zu drängen, um solche Gipfel unter ihren Füßen spüren zu dürfen. Auf ihnen stehen, wie auf gezähmten Rößen. 
Und jetzt gelten sie als verschollen. Sie liegen wohl irgendwo am Himalaya, werden zu kalten Eismumien am Berg und zu Erinnerungen im Gedächtnis der Geliebten.

Ich werde sie nie verstehen, ich fürchte mich zu sehr von diesen Riesen. Mir steht die Pußta auf die Stirn geschrieben, in meinem Blut fließt die Sehnsucht nach unendlichen Weiten, nach einem Horizont in welchem der Blick nicht stolpert, in welchem die Sonne keine Hindernisse hat, wo keine langen Schatten die Täler schwarz auffressen. Und trotzdem lebe ich hier. Warum? Weil es gemütlich ist. Weil ich Geld verdienen kann und es auch ausgeben. Weil ich Urlaub machen kann und studieren. Und trotzdem frage ich mich immer wieder: Macht es Sinn in einem Land voller Berge, Schatten, Lawinen und Schneestürme zu leben, wenn man Angst davor hat, sie zu zähmen zu versuchen und Gipfel zu besteigen? Was bleibt mir übrig? In Tirol gibt es Arbeit, Berge und Kühe. Ist das was ich im Leben suche?

Die zwei ungarischen Bergsteiger ging es umgekehrt wie mir. Sie suchten genau das, in was ich lebe. Sie wollten Schneestürme, sie wollten wilde Gipfel, sie wollten der Natur beweisen, dass sie sie kennen. Und sie kannten sie gut genug. 2010 verlor Erőss ein Bein bei einem Lawinenabgang in der Hohen-Tatra. Er sah der Natur schon einmal in die Augen und tanzte den Tango auch mit halben Bein weiter. Warum? Weil man sich die Sehnsucht nicht auswählt. Sie ist da, wie ein Muttermal, sitzt auf unserer Seele, peitscht unsere Gedanken und lenkt unsere Taten. Irgendwo sind wir doch alle Bergsteiger.

Dienstag, 22. Januar 2013

Protestieren in Ungarn: Eine postkommunistische Entdeckung


Budapest vom Gellért-hegy
Es ist ein Gespräch im Bus. Von der Maria Theresien Straße bis zur Technik. Wie die Studenten schweigen. Sie schweigen hier und sie schweigen in Deutschland und sie schweigen in Ungarn und zu der Zeit (zirka 1968) als die gesprächsführende Dame noch jung war, haben die Studenten nicht geschwiegen. Die Studenten waren der Müll der Gesellschaft, der Satz im Kaffee, die Eierschale im Kuchen, der Stein im Schuh, alles von was der Staat kotzen musste. Ich horche ihr zu. Sie hat ja irgendwo recht. Eben ich müsste auf die Straße gehen und Polizisten bespucken, ich müsste Graffitis an die Wand spritzen "mehr Rechte für Asylwerber", "Rassists are lonely" und ähnliches. Aber ich mach' nix. Ich habe Ausreden. Ich muss immer arbeiten um mich über Wasser zu halten. Drei Jobs - die hab' ich - keine Freizeit zum protestieren. Ich muss zugeben, ich tu mir auch selbst leid - na klar, ich renne von Arbeit in die Uni und dann nach Hause um etwas zu essen um gleich darauf in die nächste Arbeit zu rennen. Der Hamsterkäfig, Kapitalismus. Mal einen ungerechten Polizisten zu beschimpfen oder den Strafzettel nicht bezahlen, das trau ich mich irgendwie nicht. Weil es einem hier doch so gut geht. In Österreich gibt es doch alles. In Tirol gibt es sogar mehr. Coole Infrastruktur, soziale Hilfen, Arbeitlosengeld, Notsandhilfe, Stipendien, Freizeitticket für etliche Skilifte und Schwimmbäder, Flohmärkte mit Sachen die man noch benutzen kann, "verschenke meine Küche, meine Schuhe, meine Waschmaschine, mein Kühlschrank", für jeden ein Smartphone mit Vertrag und auch im Keller Internet und Downloads für immer und ewig. Was soll ich bitte protestieren? Zum verändern muss man weg.
Schatten mit stolzer Kokárda am Herz

Die Knochen brechen, protestieren lernen

Ihre Töchter sind weg, erzählt sie mir im Bus. Ich sage, ich bin auch weg. Aber nicht weil ich protestieren will. Dann wäre ich in Ungarn geblieben. Weil, erkläre ich ihr weiter, in Ungarn, da muss man erstmal das Streiken lernen. Dort sind drei Generationen mit der Repression des Kommunismus in den Knochen aufgewachsen. Brechen wir die Knochen, setzen sie in Schiene und sehen zu ob es heilen kann. Knochen brechen schon, du weisst nur nichts davon, sage ich ihr. Proteste und Bewegungen haben den Ungarischen Staatspräsidenten Schmitt Pál nach seinem Plagiat gestürzt. Vor fünf Jahren wäre das nie passiert. Noch immer organisieren sich die Studenten gegen die Studiengebühren und die niedrigen staatlich finanzierte Plätze an den Unis. Etwas bricht, etwas kocht, was daraus wird? Das sieht man mit der Zeit. Aber, dass Ungarn nicht nur ein von politisch korrupten Politikern geführtes Land ist, welche extrem rechte Parteien ins Parlament schickt, dass will ich dir zeigen
Ich schweige nicht, ich sage es dir, ich sage es mit meinen Buchstaben, ich will eine bessere Welt, aber weiss nicht, was eine bessere Welt ist, denn ich denke, ich lebe schon darin. Und werde ich besser, weil ich den Müll trenne? Werde ich besser, weil ich mit dem Fahrrad fahre? Ich habe ein gutes Gewissen und wenn ich nach Hause gehe, meine Familie in Ungarn zu besuchen da bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Weil ich den Müll nicht trennen kann und kein Fahrrad habe und weil ich nicht weiss, warum Österreich so ein verdammt reiches Land ist und in Ungarn alles verschissen. Und dann bin ich wirklich stolz auf meine Freunde, die in Ungarn auf die Straßen gehen und Transparente in die Höhe halten, sich für ihre eigenen Rechte einsetzen und aus einem verschissenen Land das beste herausholen wollen. Und das hat ihnen niemand gezeigt, ihre Eltern haben das nie gemacht. 

Und ich sitz' hier in Tirol verschneit und glücklich und "reich" und langsam, langsam verstehe ich nicht mehr, warum ich aus meinem Land weggegangen bin, wenn es doch so schön auseinanderbricht und brodelt...

Sonntag, 18. November 2012

Haymon hat dreißig

Wenn man dreißig wird, ist das sicherlich sehr schön. Man sollte schon etwas erreicht haben. Eine Eigentumswohnung besitzen, eine langfristige Beziehung haben, möglichst wenige Falten, gar keine Pickel und man sollte auch nicht mehr so oft saufen gehen und statt dessen daran denken, wie und wann man am besten die Kinder machen soll, wie man den Bauchspeck wegkriegt und sich möglichst wenig Gedanken darüber machen, dass man mit zwanzig weniger Luft schnappen musste, wenn man den Klettersteig ging als heute. Ein Bausparvertrag ist natürlich unumgänglich, ein Paar Krawatten und mindesten ein Anzug in dem man zu Bewerbungsgespräche geht. 
Bei dreißig wird dann noch einmal gefeiert, es wird gesungen und geweint, kaum jemand lässt eine Dreißiger-Party aus. Und doch ist es nicht nur Trubel und Jubel, es ist auch eine Möglichkeit zum Rückblick, die genutzt werden kann, auch wenn man nie ein hält. Auch, wenn man der Typ ist der die Vergangenheit im Sekundentakt vergißt, weil man so konzentriert die Zukunft erobert. Auch die schauen mal, was sie gemacht haben, was sie sich vorgestellt haben und was sie jetzt eigentlich von ihren Träumen trennt. 

Ja, ein Verlag macht das auch nicht anders. Es ist geboren, aus Buchstabengewirbel und Leidenschaft, Lektoren, Verleger und einigen Schillingscheinen und hat sich schön langsam seinen Weg gemeistert in der Welt der Verlage. Sicherlich selbst mit seinen Pickeln gekämpft und ab und zu die falschen Partner ausgewählt, aber immer größer geworden und stärker und jetzt können sich sogar die Innsbrucker Lesewürmer kaum noch vorstellen, dass es vor einunddreißig Jahren noch keinen Haymon-Verlag gab. 
Jetzt hat er das schönste Büchergeschäft in Österreich - laut Bücher über schöne Büchergeschäfte - und die beste Literatur und ist authentisch und fantasievoll und ist in Innsbruck und das macht sowieso stolz. Sogar mich macht das stolz, obwohl ich nicht aus Innsbruck bin, aber auch noch nie in einer Stadt gelebt habe, in der man einen Verlag hat, einen schönen und großen und seriösen, auf den man nun stolz sein kann. 

Bei der Feier war ich auch dabei, aus Zufall, als Outsider der Insider sein wollte. Natürlich geht das nicht so. Man kann nicht feiern mit einem Verlag, der schon erreicht hat, was er wollte. Der ist so zu und der ist so klug und so schön und so alles, dass man sich beinahe schämt dabei zu sein. Aber das macht nichts, man schämt sich eh viel zu oft (andere zu wenig), warum sollte das hier anders sein und man versteckt sich im vierten Weinsauer und in den kleinen Leckerbissen und man bedient sich mit Schokoladekuchen und bekommt den Buchstaben "N" - groß und rot - und man denkt sich sofort, ach bist du eine Niete, weil hier bist du endlich in diesem geilen Verlag, mit all den Lektoren und Literaturvermittlern und -machern und -liebhabern und doch sitzt du in der Ecke und meinst, dass jemand deine Gedanken lesen kann, zu dir kommt und sagt: Hej, willst du dein Roman drucken lassen?, du bist doch sicher Schriftsteller und komm, das wird toll, dein Name wird auf den Büchern stehen und unten unser Verlag, Haymon.

Ja, es ist nicht einfach, denn obwohl der Haymon Verlag dreißig Jahre hat, seine Kinder geboren und gut untergebracht, Anzüge bis zum geht nicht mehr im Schrank, kann er noch immer nicht alle Gedanken lesen und dann werde ich auf einmal selbst dreißig und muss mir überlegen, was mich von meinen Träumen trennt und das will ich nicht, weil ich so einer bin, der nicht nacht hinten schaut, sondern nach vorne und solcher der seine Sekunden vergisst, wenn sie passiert sind und solch einer, der sich Bücherverläge wünscht, die Gedanken lesen - und nicht nur drucken - können.

Dienstag, 6. November 2012

Bauerntheater



Ein Bauerntheater gehört nunmal zur Kultur in Tirol. Das Gemeindehaus öffnet seine Türen um sieben Uhr, eine gemischte Menschenmenge aus Bauern, Kleinkindern und Omas strömen die Glastür hinein. Um 19.05 sind alle Tische und alle Stühle besetzt. Hier gibt es kein Pardon, wer zu spät kommt steht, oder hofft, dass ihm jemand den Platz reserviert hat. Es sind meistens Komödien, die von Amateurschauspieler, die in der Gemeinde leben, aufgeführt werden. Einmal im Jahr wird ein Theaterstück inszeniert - wie mir gleich klar wird, liegt hier die Betonung nicht auf dem Theaterstück, sondern am Beianandersein. Bier, Weiß gespritzter, Radler und Brezel  - es wird getrunken ohne Rücksicht auf Alkokontrollen oder Leber. Jeder wohnt doch in der Nähe, ein Auto ist beinahe unnötig, oder man kann mit dem Nachbarn mitfahren. Bei den Tischen fallen mir vor allem die jungen Burschen auf. Gelierte Haare, großer Ohrring im rechten oder beide Ohren, eine Mischung aus Ronaldo und Bauernheiterkeit sitzen da nebeneinander und sehen beinahe gleich aus. Draußen, im Vorraum befindet sich die Bar - dort werden Cocktails gemischt, Raucher gibt es viel zu viele und die Aschenbecher sind knapp, der Vorraum füllt sich mit grauer Luft. Im Saal gibt es gute Stimmung. Man erkennt sich, grüßt sich, klopft sich auf die Schulter und Bier und Wein wird auf wackligen Tabletten hinein getragen. Die Kinder laufen herum, zanken sich, wie normale Kinder eben, spähen unter dem Vorhang durch und kichern. Auch ich schaue unten durch, aber nicht auffällig, und bemerke nur ein paar alte Crocs, wie sie hin und her laufen unter dem blauen Vorhang, Dann läutet es um genau 20.00 Uhr, wie an Weihnachten, wenn das Christkind kommt und das Gemurmel verstummt. Ich merke noch schnell, dass der Herr gegenüber von mir einen unwilkürlich roten Kopf hat, aber dann geht der Vorhang auf und das Stück, Das Wundermittel, fängt an, in einer Arztpraxis, mit singender Assistentin.
 Das Stück überrascht mich, denn es kann mich wirklich fesseln. Die Freundin, die mich eingeladen hat, fragt am Anfang bei jedem Lacher: Hast du es auch verstanden? Ja, tirolerisch ist nunmal nicht meine Sprache, aber wir sitzen am besten Platz, ganz vorne am Tisch, in der Mitte und jeder ist still, also "hab' i ois verstanden". Die Humorquelle aus Impotenz, histerischen Weibern und dem weisen Doktor scheint bei jedem gut anzukommen. Natürlich ist es nicht Theater für Klassikliebhaber, muss es auch nicht sein, denn es ist ein Theater zum Lachen, zum Trinken, zum sagen "Mei, i' holt's nimma as" - wie neben mir die Dame, die sich schon den Bauch halten musste und andauernd den Kopf schüttelte. Drei Akte, zwei Pausen, genug Zeit mal durchzuschnaufen, die Gläser zu füllen und die Toilette zu besuchen. Der dritte Akt scheint dann etwas flacher, wie die anderen zwei. Die Späßchen wiederholen sich, der schwulgewordene Casanova z.B. löst bei mir kein Schmunzeln mehr aus, als er sich den rosa Schal zum fünften Mal um den Hals wickelt und auch der Werkfilm war zuletzt etwas lang. Aber vielleicht sieht das jemand anders, der die Schauspieler persönlich kennt und bekommt ein Loch im Bauch vor lauter Lachen, wenn er sieht, wie das Stück entstanden ist.
Am Ende wird geklatscht, verbeugt und die Augen strahlen, denn es war ein Erfolg, die Lichter gehen wieder an und der Mann mit dem ungewöhnlich rotem Kopf scheint mir noch roter zu sein und er sagt, "mei wor des wieda a guats stickl" und man stellt sich wieder an die Bar und der Rauch wird wieder dick im Vorraum, Cocktails werden gemischt und Liebhaber küssen sich vor dem ganzen Dorf und es fängt wieder die Realität an, die sich gar nicht so sehr vom Theaterstück unterscheidet.

Freitag, 2. November 2012

Welcome winter season 2012/2013


Es ist wieder so weit. Die Uhren wecken schon eine Stunde später auf, die Bäume lassen ihre letzten Blätter fallen und die Berge bedecken sich mit weiß. Es fängt wieder an: Das Warten auf die Gäste, das Kochen von unzähligen Schnitzeln, die Jagd nach Russisch sprechenden, jungen Mitarbeitern, die keine Aufenthaltsgenehmigung brauchen oder sich gut tarnen können, wenn das Finanzamt kommt. Das sind die kleinen, dünnen, weißen Mädels, mit neonfarbenen oder glitzernden Haargumis, die die Betten machen und es sind die, die mit den dunklen Augenringen, die in der Küche arbeiten und kaum Deutsch sprechen, aber schnell putzen und kochen können. Nach vorne, ins Restaurant, werden sie nur am seltensten geschickt, wenn es keine Kellnerin gibt und dann sieht man sie ganz erstaunt an, denn ihre Schürze ist blutig und sie sind ganz flink, aber irgendwie doch zerbrechlich und man denkt nicht gerne daran, dass diese Person das Essen gekocht hat. Ja, das Essen kocht nämlich am wenigsten der Tiroler Koch, der klopft das Fleisch weich, aber danach wird der Salat, die Beilage, der Gulasch, alles von den ausländischen Händen gemacht. Und was ist das Problem damit? Es gibt kein Problem - aber merken wir alle für einen Moment, bitte, dass hinter der Fassade, fröhlich jodelnder, gutgebauter Tiroler und gelben Semmelknödel und saftiger Schweinebraten eine ganz andere Wahrheit steckt und die ist nicht schön, meistens nicht einmal legal und hat es wirklich schwer.
Weil diese Wahrheiten sind Menschen, sind Seelen, die fühlen, die sind weit weg von daheim und die wollen nur ein bisschen besser leben, sie wollen, dass es warm ist bei ihnen zuhause, dass sie sich auch einen MP3-Spieler kaufen können, dass sie schöne Schuhe und Kleider zum Anziehen haben. Und sie wollen eh alle wieder heim, weil niemand verlässt freiwillig eine liebende Gemeinschaft, Kumpel aus der Kindheit, die Sicherheit der eigenen Muttersprache und deswegen gedenken wir mal ein bisschen an die Hände, die sich beim Schnitzelbraten für uns verbrennen. Welcome Winter season 2012/2013 - ich wünsche dir viele, frohe Mitarbeiter, die sich wohl, ja gar ab und zu zuhause in dir fühlen können!

Mittwoch, 14. März 2012

Hast du auch Angst vor Pilze?

Vor kurzem habe ich ein Artikel gefunden, der nie abgedruckt worden ist, ihn aber nützlich und interessant finde. Ist zwar gerade nicht die Jahreszeit, aber man kann sich ja schon vorbereiten ;)


"Hast du auch Angst vor Pilze?"

Die Pilzaufführung in Innsbruck

Am 22. September haben die Stadtbummler an einem zentralgelegenen Gemüse- und Obstgeschäft in Innsbruck die Möglichkeit gehabt hervorragend zubereitete Pilze zu kosten, die persönlich aus der Pfanne des Café Sacher Chefkoches Florian Prelog auf den Teller kamen. Der Familienbetrieb Niedernwieser hält das kleine, bunte Gemüse- und Obstgeschäft seit mehr als fünfzig Jahren in der Hand und hat schon so einige Pilzverkostungen hinter sich. Der anwesende Vizebürgermeister Christoph Kaufmann sagt eine Kurze Rede bevor er sich den reichen Pilzenragout schmecken lässt. Er weist auf die gute Kommunikation zwischen Politik und Wirtschaft hin. "Das soll immer so bleiben", meint er noch, bevor er die Speise mit einem duftig-schmeckendem Weißwein genießt. Allein die prominenten Gäste waren aus Österreich. Die Pilze selbst kamen teilweise aus Rumänien, da der bayrische Waldvon wo man die Steinpilze sonst immer besorgtschon mit Schnee bedeckt war.

Österreicher und ihre Angst vor Pilzen

Wie die heimische Situation mit Waldpilzen sonst so aussieht, erklärt die Mykologin der Universität Innsbruck Dr. Ursula Peintner: "Österreich ist ein Mykophobes Land. Das heisst, die Bevölkerung kauft die Pilze im Geschäft, statt sie selbst zu pflücken. Die Angst vor einer Vergiftung ist größer als der Genuss", weiß sie. Deswegen gibt es auch kaum ernste Fälle der Pilzvergiftungen in den Tiroler Ambulanzen. Die Statistik zeigt, dass am häufigsten Jugendliche eingeliefert werden, die psylocybinhaltige Pilze suchen und auf den Orangefuchsigem Hautkopf treffen, dessen Verspeisung unangenehme Folgen hat: Schweres Nierenversagen kommt häufig vor und diese kann für ein Lebenlang den Pilzsammler begleiten.
In Österreich gibt es kaum giftige Pilze und tödlich sind sie nur wenn sie Kiloweise verspeist werden, erfahren wir von der Wissenschafterin. Wenn man zweifel bei den Pilzen bekommt, kann man immer den Marktamt in der Maria-Theresien Straße für weitere Auskunft ersuchen – dort werden die Pilze von ausgebildeten Experten kontrolliert.

Der Fliegenpilz 

Der Prototyp aller Pilzeder rote, weissgefleckte Fliegenpilz der Märchenbücherhat sich in der kollektiven Erinnerung als besonders giftig eingeprägt. Laut Dr. Ursula Peintner ist dieser Pilz aber viel harmloser, wie man es glaubt und wurde eigentlich nur in Folge der christlichen Moral verdammt: "Der Fliegenpilz wurde in früheren Zeiten von den Schamanen zu Rythen verwendet, da es leicht psilocobynhaltig ist. Als das Christentum sich verbreitet hatte, wurde der Pilz als ein Symbol der heidnischen Kultur eingeordnet und verdammt". Der Fliegenpilz kann aber wirkliche weitere Vorteile aufweisen: Wenn man einen Fliegenpilz entdeckt, sind die schmackhaften Steinpilze wahrscheinlich auch in der Nähe. Deswegen wird der gefleckte Pilz dann "Verräter" genannt.

Pilze sind Gesund

Welche physiologische Wirkung die Pilze haben zeigt sehr gut, dass Pilze in Russland wärend Krebstherapien empfohlen werden. Sie sollen nämlich die Immunkraft des Körpers stärken und somit dazu helfen die Krankheit zu bekämpfen.
Ähnlicher Meinung ist auch Patrizia Niedernwieser, Geschäftsführerin des Obst- und Gemüsegschäftes. Die Gourmets der nächsten Generation sollte man immer wieder, jedes Jahr aufs neue mit Pilzendie sie oft nicht mögen - kosten lassen. "Nur weg von den Fischstäbchen", sagt sie lachend und zeigt stolz auf das reiche Pilzrepertoir: Da liegen schön nebeinander Eierschwammerl, Kaiserlinge und Kräuterseitlinge und werden bald von der gegenwärtigen Generation genossen.