Donnerstag, 7. März 2019

Longnightstand


Wenn ich dir meinen Körper gebe, bin ich nicht nur Fleisch und Blut.
Ich sehe deine Augen – sie öffnen und schließen sich –,
ich sehe deine Wangen – sie röten und verblassen -,
ich sehe deinen Atem – er rast und stockt –,
ich sehe deinen Bauch – er bebt und schwitzt.

Am besten verstehen wir uns, wenn sich unsere Arme zu Seilen verweben,
wenn unsere Finger über die Weiden von Rücken und Beine springen,
wenn wir ineinander Zuflucht wie vor einem Gewitter nehmen.
In diesen Augenblicken gefällst du mir.

Du bist über mir, unter mir, in mir,
wir reiten und fliegen und gleiten und kennen uns von jeher
und die Zeit ist etwas außerhalb,
ein Alien,
ein Wort aus Afrika,
eine unbekannte Substanz
und sie zerrinnt, wie heißes Wachs an einem kalten Abend.
Wie verschwenderisch.
Ich sehe dich,
deine Augen,
deine Wangen,
deinen Atem,
deinen Bauch und frage mich, was siehst du?

Einen Körper,
runde Brüste,
flachen Bauch,
grüne Augen,
kleine Füße.

Fragst du dich auch manchmal,
was in diesen Brüsten steckt,
was mit dem Bauch bei Lampenfieber passiert,
warum die Augen beim Reden glänzen,
wieviel die Füße auf Straßen und Bergen treten.

Ich bin nicht nur Fleisch und Blut.
Jeder deiner Besuche ist Feuer, das schnell erlöscht,
jeder Abschied Asche, den der Wind nach einigen Tagen verweht.
Was es hinterlässt, ist ein schwarzer Fleck auf einer dünnen Decke.

Die Decke liegt auf der Haut, die nach dir riecht,
aber du bist ein Aal,
du bist wieder fort
und ich frage mich, ob das wirklich geht.

Dass sich Haare seit einem Jahr verstricken,
Lenden sich seit 12 Monaten aneinander schlagen,
Zähne sich seit 365 Tage beißen
und Seelen und Herzen sich trotzdem nicht verbinden.

Wie verschwenderisch.

Ich schütte meine Liebe freiwillig in ein bodenloses Loch,
dabei wünsche ich mir, dass sie
– auch wenn sie versickert –
doch ein wenig fruchtet.

Ich will nicht deinen Atem um 7:30 im Bett,
ich will nicht den Streit über zerknüllte Socken im Bad,
ich will nicht deine nassen Unterhosen aufhängen,
ich will nicht deiner Mutter gefallen,
ich will nicht mit dir am Küchentisch wortlos die Suppe auslöffeln.

Dein Gedanke an einem nebligen Tag,
dein Traum auf einer langen Reise,
dein Atem in der kalten Luft,
dein Blick in ein schönes Buch
– ja, vielleicht will ich am liebsten das für dich sein.