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Mittwoch, 15. April 2015

Marathon

Vor einigen Tagen hat es also angefangen. Der Klinik-Marathon in der Bestrahlungsabteilung. Sechs Wochen "Solarium" für die linke Brust, jeden Tag um acht Uhr in der "Linac 1". Ich weiß gar nicht, was Linac bedeutet. Aber in der Strahlenabteilung gibt es davon fünf. Oft mache ich mir Gedanken, wie sich wohl mein Körper verändern wird und das ich eigentlich nichts machen kann. Dass er sich nicht wegen seines Alters verändert, sondern wegen diversen Vorsichtsmaßnahmen. Dass ich jetzt wie ein Maori angemalt bin und ein blaues Rechteck mit wasserfestem Edding um meine Brust habe, ist eine Sache. Was innerhalb des Vierecks und den quer über meinen Körper gemalten roten Linien in diesen sechs Wochen passiert, das ist eine andere. Erst Vorgestern ist es mir bewusst geworden: Meine Brust ist nach dieser Behandlung nur noch ein Ausstellungsstück. Alles was hinter der Haut und Brustwarze ist, ist dann Pampa, verbrannt, ausgetrocknet, wie in einem Armageddon. Heute tut sie ein bisschen weh - als ob ich zu lange an der Sonne gewesen wäre. Aus meinem Dekollete kommen die Striche heraus. Ich muss sehr komisch aussehen. Mit meinem Baby-Monchichi-Kurz-Haar und dieser "Malerei".
Ich versuche daran zu denken, dass das gut ist. Dass meine Brust nur noch Deko sein wird, keine Milch produziert und überhaupt nichts macht, was es machen sollte, aber dafür auch keine Krebszellen produzieren kann. Es ist aber irgendwie schwierig anzunehmen, dass ich vor einem Jahr noch jung war und stark und gesund und nun etwas an mir nicht mehr stark und gesund sein wird. Und wenn ich einmal schwanger werde, lächerlich aussehen könnte. Weil die eine Brust anwächst und die andere nicht. Blöde Ängste im Vergleich zu dem, was ich gewinnen könnte: Gesundheit auf Dauer.
Mein Marathon ist noch immer nicht zu Ende. Seit Oktober laufe ich, laufe und laufe. Neben Schnee und Wind vorbei, auf Straßen mit und ohne Asphalt, neben Flüßen und Bergen und Blumen und Wiesen und blauen Himmel und weiße Sterne und mein Lauf wird langsamer, Tag zu Tag mühsamer und ich will endlich ankommen, dort an diesen Ort, an dem ich wieder jung und stark und gesund sein kann. Und dabei laufen einige Leute mit mir mit. Ein Stück, schauen mich an, lächeln, bedauern, bewundern, klatschen, lachen, sehen, hören, halten wieder an. Aber wenn ich ehrlich sein will, sehe ich euch nicht, weil ich eigentlich ständig alleine laufe.

Dienstag, 31. März 2015

Stürmisch, aber Frühling

Stürmisch, aber Frühling (©Steve_F (wikimedia_commons))
Das kann mir keiner mehr wegnehmen: Der Frühling ist da. Draußen in der Natur, auf den Bergen, in den Gärten und auf meiner Haut, auf dem Kopf in den Augen, sogar an den Beinen. Es sprießt wieder. Es kommt wieder und noch nie habe ich mich über kleine Härchen hier und dort gefreut, wie zu dieser Zeit. Obwohl es jetzt im Fenster aussieht, die Welt würde wegen dem aktuellen Sturm untergehen, zwitschern irgendwelche Vögel am Parkplatz und pfeifen aufs Wetter. Und ich mit ihnen.

Ich bin heute auch beim Bodypainting gewesen. Zwei Krankenschwestern haben mich angemalt, mit roten Stiften und es hat gekitzelt. Also habe ich gekichert. Obwohl ich halbnackt in einer Röhre unter Neonlicht lag, habe ich gekichert. (Übrigens juhuu, die gentests* sind negativ geworden). Jetzt kommen sechs Wochen Bestrahlung, mit Startschuss 14. April. Das ist ein bisschen nervig. Das sie mir keinen früheren Termin geben können. Es nervt, weil ich jetzt zwei Wochen echt auf meine Linien aufpassen muss. Auf die Linien, die roten, die mir die kleinen, blauen Krankenschwestern kreuz und quer über die Brüste gemalt haben. Diese Linien muss man behalten, sie hüten und wenn sie verschwinden wollen, muss man ins Krankenhaus laufen, damit sie wieder nachgezeichnet werden. Bitte, kommen sie auf alle Fälle. Hat der Arzt gesagt, der mich an meinen Schwager erinnert. Blasse Haut, Brille, weißer Kittel, warme Hände, groß. Er spricht sehr langsam. Als ob er jedes Wort noch einmal überlegen müsste, bevor er sie wirklich sagt. Als ob es ihm überhaupt nich auffallen würde, dass er zu langsam redet. Vor allem, wenn man halbnackt ist, im Neonlicht steht, mit der Hand auf der Klinke um sich in der Umkleide wieder anzuziehen. Dann spricht er definitiv viel zu langsam. Nicht nur dass man dabei friert, auch fällt einem ein, dass man – obwohl man eine Glatze hat und mit einem Stift angemalt wurde – noch immer eine Frau ist und vor einem Mann steht der angezogen ist und sich noch paar Mal überlegt, ob er mir den Termin sagen soll oder nicht. Dann habe ich ein bisschen gewartet, mich aber letzendlich angezogen und mir im Flur den Termin geben lassen, mit dem ich danach in den Sturm hinausspaziert bin. Es ist stürmisch auch bei mir. Aber Frühling. Und das gehört nun wirklich-wirklich mir, mit ihren zwitschernden Vögeln, den Knospen in den Parks und den langen Tagen.

* zum gentest in kürze: Zwei Monate habe ich auf die Gentests warten müssen. Gentests um zu zeigen ob ich eine Genmutation habe, die für den Brustkrebs verantwortlich gemacht werden kann, oder nicht. Das ist nicht obligatorisch, man kann es machen oder auch nicht. Die Genmutationen, die sie bei so jungen Frauen testen, heißen BRCA1 und BRCA2, bzw. Chek2. Wenn diese positiv sind, hat man ein erhöhtes Brustkrebsrisiko, dann wird empfohlen die Brüste präventiv zu amputieren. Und das ist noch die harmlosere Genmutation! Die andere Genmutation trägt den Namen TP53 – wenn dieser im Genpool präsent ist, bedeutet das eine 100 prozentige Krebserkrankung – und zwar kann das überall im Körper auftreten. Dazu kann man präventiv keine Behandlungen durchführen. Also in beiden Fällen, heißt das für mich AUFATMEN – ich habe Brustkrebs nicht vererbt bekommen und kann es auch nicht weitervererben. Juhuhuuuuuu!