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Sonntag, 2. November 2014

Klettverschluss

Jetzt sehe ich aus, wie Auschwitz. Meine Haare sind ganz weg und ich lerne eine andere Seite von mir kennen. Letztesmal hatte ich vor 27 Jahren eine Glatze. Jetzt sehe ich meine Kopfhaut nach so vielen Jahren das erstemal. Sie ist, wie ein Vollmond. Narben, Muttermale, schlecht rasierte, dunkle Flecken die Krater drauf.
Bisher sah ich aus, wie Sams (runder Kopd, kurze Stoppelhaare und viele Flecken im Gesicht – bei jedem Fleck kann man etwas wünschen). Die Glatze ist aber besser als das Gefühl gestern: Beim lesen habe ich meinen Kopf gekratzt – ein ständiger Begleiter seit der Chemo – und die 3-4 Zenti kurzen Haare landeten auf den weißen Blättern. Die Buchstaben sahen aus, als ob ein dunkles und dichtes Spinnennetz drübergewebt wäre. Ich las die Seite zu Ende und blätterte um und sah noch wie die Haare in die Buchmitte rutschten.

©: Alexander Klaus/ pixelio.de
Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn man Skinhead ist. Wenigstens teilweise. Mein Kopf friert. Ich würde eigentlich gerne auf die Straße gehen, ohne Perücke, ohne Kopftuch. Ein bisschen die Fußgänger, Busfahrer, Verkäufer zu schocken. Aber ich friere die Wirbelsäule hinunter bis in meine Zehenspitzen, wenn ich das Tuch abnehme. Auch die gestrickten und gehäkelten Mützen verkleben sich mit meinen Stoppeln, wie ein Klettverschluss. Ich muss lachen, denn die Mütze sitzt schief und ich kann sie nicht zurechtrücken. Wenn ich sie abnehme fühle ich wie die Haare sich sträuben, wie sie sich in der grauen Wolle festklammern. Und dabei fallen sogar die Stoppel irgendwann raus, wie in 2. Weltkriegfilmen, in Büschen, unregelmäßig und unschön.
Auch hat C. gesagt, dass meine Narbe an der Brust, wie ein Reißverschluss aussieht. Manchmal wäre es schon toll dadurch aus der eigenen Haut schlüpfen zu können.

Die Haut in meinem Gesicht hat sich großteils beruhigt. Aber ich will es nicht noch einmal. Diese schmerzhaften Entzündungen. Jetzt lese ich einen Fachartikel übers Fasten bei Chemo – vier Tage nur Wasser – das soll die Nebenwirkungen verringern und Tumorzellen gezielt angreifen, währenddessen gesunde Zellen gesund bleiben. Hört sich gut an. Wenn ich mich ohnehin schon vergiften lasse, warum nicht auch das? Ich hoffe, auch die Pickel halten sich dann im Zaum, sonst muss ich wieder die Spiegel abdecken.

Heute war ich im Flohmarkt und habe einen Kaffee getrunken, den einzigen den ich wirklich mag, vom Coffeekult. Am Flohmarkt verkaufen sie ihn aus einem kleinen, offenen Piaggio. Ich habe den Kellner von letzte Woche erkannt und ihm jetzt in die Augen geschaut ob er mich auch erkennt – wir waren ja zwei Stunden seine einzige Kunden und haben miteinander über Gott und die Welt geredet. Er sagte aber nur 1,80, obwohl ich ihm in die Augen geschaut habe.

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Mobbdachlose

Orbán macht und Orbán tut und er tut es schnell und er tut es, wie er will. Obdachlose werden ab Ende September bestraft, denn sie liegen auf öffentlichen Plätzen, wo sie niemand sehen will, wo sie niemand riechen will. Orbán ist besser als Houdini. Ein Illusionist. Er macht uns vor, dass wir alle in einer schönen, sterilen Welt leben können, in dem es keine Obdachlosen gibt und dann vllt. bald auch, dass es keine Behinderten mehr gibt und später werden vllt. auch die Dicken nicht mehr zum Stadtbild gehören. "Was für ein Glück". Und dann gibt Orbán noch 27 Millionen Euro für die Versorgung der Obdachlosen aus und 1,2 Millionen Euro an Organisationen, die sich damit beschäftigen. Und es gibt mehr Übernachtungsplätze als Obdachlose, sagt auch im weiteren die Webseite der Regierung.  Und die Organisationen sagen, dass das nicht so ist. Siehe auch Botschaft von Ungarn

Und dann das hier in Innsbruck, dass man nun "die Verrückte", die zwischen Inn und Tiefgarage, bzw. Kaffeeautomat im Untergeschoß, mit ihrer Ohrenlappenmütze und den abgeschnittenen Handschuhen aus dem Gebäude weist. Dass es der Uni wichtiger ist den Österreichischen Wachdienst mit Kontrollen zu beauftragen, als ein bisschen wegzuschauen und mal alternativ zu bleiben. Man erschreckt sich doch nur zum erstenmal, wenn "die Verrückte" anfängt zu schreien, danach gehört sie zum Bild. Und sie schreit ja nur am Inn. Im Gebäude habe ich sie nur murmeln hören.  Aber sicher, Sicherheit ist das Erste und Kaffee trinken das Zweite, denn oft kommt mir vor, dass man als Student eh nichts anderes macht. Kaum sind Vorlesungen besser besucht als das Büffet. Und dort kann man auch schön beobachten, was jetzt so die Mode ist und sich total falsch am Ort fühlen, denn man fühlt sich auf dem Laufsteg und da gehören nunmal sicher keine Obdachlosen hin... Wie sieht das denn aus? In einer Ecke sitzt der schwarze Brillenträger mit seinem Mac und in der anderen der Obdachlose mit dem Ottakringer. Naja, das ist wie halt unsere Gesellschaft in der Realität ist und deswegen frage ich mich, warum man so stelisieren muss und ein Orbán-ähnliches Spiel vorspielen, welches es nicht gibt. Das ist doch auch irgendwie, wie Mobbing, nur an Leute die es sowieso schon miserabel genug geht... Siehe den Brief der Vizerektorin, welches jeder Student bekommen hat.

Europa ist doch einhaltlicher, wie man das so auf den ersten Blick meint...