Dienstag, 10. Januar 2012

Wilsch a mensch sein?

Vor kurzem habe ich eine Freundin im Museum vertreten. Der Typ, der den Computer neu installiert hat und nicht wusste, dass ich aus Ungarn komme, hat neben mir das folgende Gespräch im Telefon geführt:
"Hi Hilde!... Nein, weiß nix davon... Ah, echt wirklich??? Wie deppert... Schreib halt in die Anzeige: keine  Ausländer! Macht eh jeder in Tirol..." - argwönisches Gelächter und mir lief das Blut aus dem Gesicht und sofort musste ich schreiben.

Das Gebiet

Du weißt schon über was ich rede: Die schneebececkten Gipfel der Alpen, der Schweinebraten, Glühwein, Trachtenanzüge, Männer in Hüte, Frauen mit großen Brüsten, Snowboardfahrer mit hängenden Hosen auf den Schipisten und dünne, rotgekleidete Schilehrer, die andauernd hopp-hopp wiederholen. Das ist Tirol.
Schifahren mögen wir auch, wie auch im Weichnachtsmarkt bumeln, wir kaufen die Schitickets, -brillen, -hosen, -stöcke. Dit tiroler Verkäufer lächeln nett, wir Ungarn sind gar nicht daran gewöhnt.
Alle Jubeljahre mal wurde mir im ungarischen Lebensmittelgeschäft mein "jó napot" (Guten Tag) erwidert... Nein, nur die Tiroler wissen wie das geht. Mehr schmeichelhafte, gastfreundliche Einwohner kann sich kein Tourist wünschen. Es ist nicht nur, dass man auf dreitausen Meter höhe Knödel essen und Edelweiss Bier trinken kann, aber man kann sogar mit gratis Schibüssen in die Schiegebiete fahren. Sogar die Öffis sind umsonst, wenn man zum Schifahren geht. Hauptsache man ist zum Schifahren angezogen. Das ist doch so als würde die BKV (Budapester Öffis) oder die MÁV (Ungarische Bundesbahn) jeden der in Schwimmhose und Handtuch einsteigt umsonst zum Balaton, Donau oder Velence-See reisen lassen. Ist es nicht Wahnsinn, dass sich ein Land soetwas leisten kann? In zwei Wochen fährt dann der werte Gast wieder nach Hause, mit dem Gefühl, diese Tiroler wissen wie der Hase in der Touristik läuft.

Die Fremden

Ich bin jetzt Tiroler. Nur in der Hinsicht, dass ich hier lebe, arbeite, mit den Tirolern die selbe Luft atme, das selbe Wasser trinke, mit dem selben Bus fahre. Trotzdem wäre es übermutig zu denken, dass ich mich je, wie ein echter Tiroler fühlen werde. Es gibt etwas, dass in den Tirolern nie auftauen wird und das ist die Gastfreundschaft. Selten erspannt sich der höfliche Hass zu den Gästen - idiotische Deutschen, blöde Italiener, depperte Holländer - zu etwas liebevolleren. Hier als Ausländer zu leben, bedeutet etwas ganz anderes als die Ferien in diesem paradiesischem Gebiet zu verbringen.
Ich bin auch kein Tiroler, weil ich nicht knurre wenn mich ein Schwarzer auf der Straße begrüßt, ich drehe meinen Kopf nicht weg, wenn ein Marokkaner mich um die Uhrzeit fragt und ich gehe nicht neben dem Obdachlosen am Bahnhof vorbei, ohne ihn anzühören und ich schaue mir sehr wohl dieses zeltartige Gebäude neben dem Flughafen an, vondem man nicht weiss was es ist. Es sieht genauso aus, wie die Flüchtlingslager in den Nachrichten, nur in Miniatürform.
Nicht der Rede wert sind auch die Türken, die - für die Tiroler einfach unverständlich - im Sommer mit der ganzen Familie zum Grillen gehen. Sie sind laut, singen und nehmen den ganzen Park zur Verfügung. Dennoch werde ich grillen und der Tiroler nicht.
Aber wenn sein Auto dann kaputt wird, geht er doch noch zu Öztürk, weil der Klaus die Bremsscheiben für das fünffache repariert. 
Und daran denkt er nicht einmal, dass der berühmte Wiener Schnitzel nicht von tüchtigen Landsleute dünn geklopft wird, sonder von mageren Ungarn, Slowenen, Kroaten, Serben und Rumänen. 

Die Konfrontation

Ich hatte das Glück, meinen Silvester mit ein Paar Tiroler zu verbringen und ich habe mich nicht getäuscht. Es wurde von ihnen als ernste Frage gestellt: Warum muss die Jugend ins Ausland gehen? Ich hätte nie in meinem Leben gedacht, dass erste Erwachsenen diese Sache wirklich in Frage stellen würden. Es scheint hier haben andere Weltanschauungen, Erfahrung sammeln, neue Sprache lernen, andere Kultur kennenlernen, etc. keine Werte. Das ist total traurig.
Wenn wir schon so ehrlich bei der Sache waren, habe ich gleich auch mal gefragt warum Tiroler so verschloßen sind? Warum haben sie diese Redewendung: Bisch a Tirola, bisch a Mensch. Bisch koa Tirola, bisch oa oarschloch? Der Tiroler, ungefähr 50, verheiratet, Vater von zwei Kindern, Eigentümer eines Hauses, hat geantwortet: das kommt aus der Abhängigkeit zu den Touristen. Aus was, bitte??? Ja, aus dem Gastgewerbe: Früher mussten die Tiroler ihr Haus den Deutschen Touristen überlassen, sie selbst zogen auf den Dachboden oder in den Keller und mussten sich immer verbeugen "Grieß Gott, Herr Meier, wie geht's, Herr Meier?". Hmm, das ist ja nichts außergewöhnliches! Genauso zogen Familien die am Balaton lebten in ihre Dachböden, ins Zelt oder zur Oma, um dem Gast das Haus zu überlassen. Denken wir nur an Kroatien, Italien, Spanien - dort haben die Leute dasselbe gemacht, aber wurden nicht einmal halb so reich wie Tirol von den "deppata Deitsche". 
In den Tirolern ist diese Redewendung so stark verankert, dass man es sogar als Werbung benutzen kann. Ein großes Plakat mit "bisch a Tirola, bisch a Mensch" - der zweite Teil durchgestrichen: "Bisch a Tirola, hörst Radio NrJ".


Ich verstehe nichts von Rassismus oder Nationalismus, aber ich weiß dass dieser Gedanke sehr an die der Ungarischen Rechten Partei ähnelt und das ist sehr beklemmend. Hier leben die Leute gut, sie brauchen keinen Sündenbock zu suchen und dennoch hängt in der Luft eine komische Beleidigung gegen jeden Fremden der länger bleibt als seine/ihre Ferien.
Eigentlich ist es echt Schade um diesen wünderschönen Ort. Hier gibt es alles was man nur begehrt: Berge, Täler, Seen, gute Straßen, Tourenwege, Arbeit, Kino, Unterhaltung, etc. Ich wünsche mir nur  noch eine "Wunderzange" mit denen ich die Köpfe etwas erweitern könnte, um für die Tiroler den Horizont zu öffnen und zeigen, dass Tirol einer der schönsten Gegende ist, aber dafür nun mal andere auch nichts können, wenn sie von Ost-Europa, Afrika, Süd-Amerika oder der Türkei kommen. Die wollen doch auch nur gut leben!

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