Donnerstag, 29. Januar 2015

Statistik

es läuft gut – die chemo in meine adern
Heute ist die letzte Chemo. Ich sitze in diesem super nach hinten, nach vorne und nach unten verstellbarem grauen Kunstledersitz. Eine Mischung aus Bett und Stuhl, gemacht um sich möglichst gemütlich bei der Behandlung zu fühlen. Aber für mich war es beinahe immer ungemütlich. Meine Beine schliefen ein, mein Rücken war komisch gekrümmt und dabei hang ich gleichzeitig an einem Schlauch und den Blutsruckmesser. Nun ist es wirklich so weit: Die ersehnte, letzte Chemo, aber blöderweise habe ich ein ganz schlechtes Gefühl. Wie es nach der Schule war und dem Abitur, wenn man darauf wartet, dass es endlich vorbei ist, dieses jahrelange früh aufstehen, das ständig Notizen schreiben, die Hasuaufgaben, Prüfungen, die strengen oder einfach nur ungerechten Lehrer. Und dann ist es vorbei und man bleibt mit einer Frage allein: Was nun? Wie soll es weitergehen?

Um ehrlich zu sein, habe ich schweineangst. Weil ich glaube, die Chemo hat mich bisher "beschützt" – einfach alles (und noch ein bisschen mehr) zerstört, was mir nicht gut getan hat. Und nun werde ich nicht mehr beschützt und werde wahrscheinlich paranoid werden. Spüren, dass ich wieder einen Knoten habe, obwohl da keiner ist. Gestern habe ich so schlecht geschlafen. Als ob mich mein Körper in der Nacht mit Schweiß erwürgen wollte. Das Bett war so durchtränkt, dass ich alles ausziehen musste und die Decke mit der unteren Seite nach oben drehen, damit ich die Feuchtigkeit weniger spüre. Und dann lag ich da mit offenen Gedanken und konnte nich mehr einschlafen. C. schreckte paar Mal auf und ich streichelte seine hechelnde Brust um ihn im Schlaf zu beruhigen. Meine Augen blieben offen und ich hoffte, dass sie bald zufallen, ich nicht mehr schwitzen werde und nicht darank denken, dass ich nach der Chemo wieder vor Entscheidungen stehen werde: Strahlungstherapie ja oder nein, jahrelande Hormontherapie ja oder nein und alles im Zusammenhang auch noch mit Kinderwunsch ja oder nein. Denn jeder Therapie wirkt sich darauf aus und ich wollte doch Kinder und ich glaube meine Kinder wollten mich auch – denn ich würde eine gute Mutter werden und sie nie im Stich lassen.

Also bin ich beides. Erleichtert und verzweifelt. Es wäre toll zu wissen, was die richtige Entscheidung ist. Was danach kommt. Was mein Körper braucht und was überflüssig ist. Aber das wissen nicht einmal die Ärzte. Die können nur die Statistiken heranziehen und mir dadurch eine Diagnose stellen, einen weiteren Behandlungsweg. Aber ich bin ein bisschen skeptisch, denn Statistiken schienen in dieser Krankheit bisher nicht auf meiner Seite zu stehen. Laut Statistik sollte ich keinen Brustkrebs haben, laut Statistik ist mein "böser-agressiver" Tumor auch einer den nur 20% der Brustkrebspatientinnen haben. Hmm. Da wird einem eben bang ums Herz, wenn man wegen Statistiken irgendeine Entscheidung trifft, man selbst doch aber nur ein kleines Teilchen dieser Zahlen ist und trotzdem alles möglich ist. Was ich aber sicher weiß: Ich mache eine rieisige Party, wenn es schönes Wetter wird. Ich werde mit Freunden feiern, mit Kesselgoulasch, transylvanischem Kürtös Kalacs, gutem Wein, Fernetcola und Apfelsaft mit Sodawasser. Und ich vergesse mal für einen Abend, dass ich Entscheidungen wegen Statistiken treffe und ich einen Kampf führe, den ich nie haben wollte und sich nicht wie ein Kampf anspürt, sondern wie eine lange Grippe.

2 Kommentare:

  1. Hi Guapa, recht hat du, lass dich von den Statistiken nicht runterziehen. Statistisch gesehen sollte ich aufgrund meiner Lebensweise (Extremsportarten uvm.) schon lange unter der Erde sein. Scheinbar hat aber mein Studium recht, das mir sagt: Statistiken liefern mir keine richtige Erkenntnis, sondern nur vage Wahrscheinlichkeitsmodelle, die man „Gott sei Dank“ beeinflussen kann. Also lass uns schön die Statistiken bescheißen und unser Leben - so gut wies geht - genießen... PS: Freu mich schon auf deine Feier :*

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