Sonntag, 28. Februar 2016

Die blauen Katzen von Prag

Es waren Katzen von Prag. Zwei Stück, gerade mal so groß – bzw. so winzig – wie der Nagel an meinem kleinen Finger. Sie waren natürlich keine echte Katzen, sie waren jene Kätzchen, die man bei Männern und Frauen auf der besonders berühmten Brücke kaufen kann. Nicht nur Katzen, auch Touristen tummeln sich dort. C. hat sie mir gekauft. Von einer besonders unnetten Dame, die auf einem Klappstuhl saß und aussah, als ob sie ihre Ware nicht verkaufen wolle. Nach einem Streit kaufte C. mir die Katzen. Zur Schlichtung, damit wir uns wieder lieben. Man kann mich zwar mit Katzen meistens nicht kaufen, aber ich wollte nicht mehr streiten, mich sauer fühlen, ich freute mich über die Geste. Die zwei kleinen, blauen Kätzlein, die wackelten, wenn ich meinen Kopf drehte. Weil sie Ohrringe waren und sich bewegten, sobald ich mich bewegte. Und jetzt springen sie jedes Mal, wenn ich mein Google Drive öffne, auf mich zu. Dieses schöne Portraitfoto von mir, auf welchem ich besonders hübsch bin. In meinen Ohren die blauen Katzen von Prag. Wow, denke ich mir jedes Mal, dass ich in meinen Ordner gehe. Wow, ich sah echt toll aus. War erst vor zwei Jahren – gar nicht so lange her. Ich habe aber das Gefühl, es liegt eine ganze Galaxis mit all ihren Zeiten zwischen dem Bild von damals und dem Bild von heute.

Mensch, so eine schwere Krankheit, geht nun mal nicht spurlos am Menschen vorbei. Ich kann es noch immer nicht glauben. Ich warte noch immer darauf, wieder jung zu werden, wieder Augenbrauen zu haben, wieder mich wohl zu fühlen, wieder keine ständig tropfende Nase zu haben. Alles ist ein bisschen besser, aber es ist noch immer nicht gut. Nur hier, auf meinem Blog, traue ich mich auszukotzen. Sonst kann ich mich ja nicht beschweren, während den Behandlungen war alles unmenschlich. Verrückt. Es ist jetzt fast 1,5 Jahre her, dass mich der Krebs gefunden hat und ich ihm meine Tür öffnen musste und mich ihm überlassen. Bald muss ich wieder zur Kontrolle, bald stecke ich wieder in Maschinen, stehe vor Schaltern, sage meinen Namen, bald sitzt wieder ein Arzt oder eine Ärztin vor mir, schaut in einen Bildschirm und schweigt erst, damit er/sie mir danach erklärt, was Sache ist. Ob alles gut ist oder... Und dann immer dieses Bild von mir, dass im Ordner ins Auge sticht, wenn ich an meinem Text weiterarbeiten will. Mit den blauen Katzen im Ohr, die sich bewegen, wenn ich mich bewege. Wo sie wohl stecken? Ich finde sie nicht mehr, sie sind verschwunden. Das Haus oder der Wirbel haben sie geschluckt. Sie sind schon öfters verloren gegangen – wie das Katzen so machen – aber für so lange Zeit waren sie noch nie weg. Jetzt bewegen sie sich nicht mehr, meine blaue Katzen aus Prag. Ich vermisse sie, wie ich mich vermisse, mich, die ich vor dem Krebs war.

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