Freitag, 20. Mai 2011

Ich verstehe den Mann, der Hitler versteht

Ich empfühle für Lars van Trier das Mitleid eines Menschen, der ganz genau weiss, wie es ist sich zu enttäuschen und mit dem Gefühl nicht rechtzukommen. Es stimmt, er hat etwas abscheuliches gesagt, dass er Hitler versteht. Den, den die Gemeinschaft, zu Grund, zum umenschlichstem Mensch der modernen Geschichte, erklärt hatte.
Aber das ist nun mal was ein Künstler macht. Er muss das sagen, er muss versuchen zu verstehen warum Deutschland einen Mann wie Hitler Platz gelassen hat, denn es ist seine Aufgabe die Welt zu zeigen in ihrer ganzen Grausamkeit. Und bis nur Lars Van Trier ein individuelen Weg zu der Geschichte seines Vaters und somit zu sich selbst sucht (wie so viele skandinavische Leute, die in den 40-er, 50-er Jahren, von Besetzern des Deutschen Bundesheers geboren sind), gibt es Abertausende über dessen Rassismus sich Europa nicht empört, obwohl diese Mengen die echte, moderne Gefahr sind. 
Der das Interview gesehen hat in dem er sich äussert, der hört das Zögern in den Worten, hört die Bemühung um etwas zu erklären, das er nicht erklären kann. Der Fehler dieser äusserung - weil ein Geständnis ist es wohl nicht - liegt in der Wahl des Publikums und des Zeitpunktes. Als ob er vergessen hätte, dass Allerwelt soeben Cannes vor den Augen hat, dass sogar besprochen wird ob Brad Pitt oder Johnny Depp die coolere Sonnenbrille trägt. Natürlich dröhnt ein Satz wie dieser somit viel lauter, erschrekender und unmoralischer als sonst: "Ich verstehe den Mann, ich verstehe Hitler".
Große, erfolgreiche, gekürte Künstler, die in ihrem persönlichen Leben unsympatisch, rassistisch, pedofil oder gar alle drei waren, kann man in einem Atemzug auflisten: Thomas Mann, Knut Hamsun, Picasso, usw. Aber was man ihnen nicht wegnehmen kann, dass muss man ihnen lassen - ihre Kunst, ihr Wissen, die Originalität. Wie Madam Chauchats egsotisch-mongolisches Gesicht beinflussend auf weibliche Wesen in unserer Erinnerung steht, wie die entzerrten Figuren Picassos Fragezeichen in uns einbrennen, wie Hamsun das Leiden des nordischen Menschen so schmerzhaft beschreibt. 
Von Trier ist nun gar nicht in diese unsympathische Reihe zu setzen, da er mit seinen Filmen neben marginalen, kleinen, zerqutschten Schichten der Menschheit Platz nimmt. Und er WILL ja auch so. Im Interview sagt er, er dachte er sei Jude, wollte immer Jude sein und auf einmal ist er doch Nazi. Auf einmal kommt die Maske runter und hervorscheint was er nie gedacht oder gewollt hätte - seine blauen Augen, blonde Haare sind nicht die der Erdrückten, sondern die der Erdückenden.
Und Cannes, im unmenschlichem und hochmoralisierendem Ton der Medien, gibt noch einen schwarzen Nazistempel auf seine Stirn, somit Von Trier sich über die Falschheit seiner Bemerkung gar nicht irren kann. 

Ich bin froh, dass Cannes Von Trier, den Regisseur, aus seinem gerottenen Magen herausgespuckt hat. Neue Themen, neue Aufmerksamkeit macht die Luft heiß in der schlappen Filmwelt. 
Nur die zerbrechliche Eitelkeit des einsamen und suchenden Menschen gibt mir das Gefühl ihn umarmen zu wollen und lassen, dass er seinen ungewollten Nazismus mit salzigen Tränen entseucht...

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